Montag, September 21, 2009

Wie weiter, ORF?

Seit Tagen geht meine Mailbox nahezu über von Aussendungen und Statements zur österreichischen Medienpolitik im Allgemeinen und speziell dem ORF. Grund ist die ORF-Enquete, die letzte Woche im Parlament über die Bühne ging. Einen ganzen Tag befasste sich das Parlament – zumindest einige Abgeordnete – mit dem Thema Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich. Dass es diese Enquete überhaupt gab, ist an sich schon als Fortschritt zu werten, beschränkt sich Medienpolitik in Österreich doch seit Jahrzehnten auf die Sicherung von Einflusszonen und das Zählen von Sendesekunden je Partei im ORF. Immerhin, diesmal – das fiel positiv auf – saßen Leute wie die Clubobleute Josef Cap und Karlheinz Kopf, aber auch eine Reihe anderer Abgeordneter (Amon, Vilimsky, Zinggl, Schennach, Jarmer) stundenlang interessiert im Publikum und hörten sich endlich mal an, was Medienschaffende (ob öffentlich-rechtlich oder privat, TV oder Print), Wissenschafter, Verbände und andere Experten zum Thema zu sagen hatten.
Mit ein paar Tagen Abstand schaffe ich es nun doch noch, ein paar Zeilen dazu zu schreiben:
Was gleich zu Beginn auffiel: wenig Interesse hatte das Parlament an der Meinung von Frauen. Eine einzige Referentin, Jane Vizard vom europäischen Dachverband öffentlich-rechtlicher Sender EBU, durfte das Wort ergreifen (nebenbei: es war die einzige, die – unübersetzt – nicht auf Deutsch referierte) und auch im Publikum (geladene Gäste konnten sich im Anschluss an die Referate zu Wort melden) waren Frauen eindeutig in der Minderheit. Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk in Österreich – eine reine Männersache? Hier wird es hoffentlich noch Gelegenheit geben, dieses Manko zumindest zu mindern, bevor ein neues ORF-Gesetz beschlossen wird.

Wohl zwangsläufig haben es Enqueten diesen Stils an sich, dass es keinen Raum für einen echten Diskurs gibt. Der Tag verging, indem alle ihre Positionen, die fast gänzlich vorher schon bekannt waren, noch einmal wiederholten. In diesem Umfeld versuchte ich in meinem Statement, wenigstens drei Prinzipien zu verankern, die (ich war der einzige eingeladene Vertreter der Werbebranche, die immerhin ein Drittel des ORF-Budgets beisteuert) aus Sicht der Branche unverzichtbar sind:

1) Der Werbemarkt braucht ein starkes (auch reichweitenstarkes) Leitmedium, in dieser Rolle ist der ORF (zumindest aus heutiger Sicht) von Privaten nicht zu ersetzen. Modelle eines gänzlich werbefreien Staatsfunks wie in Frankreich oder Spanien geplant, sind nicht auf Österreich und seinen kleinen Markt umzulegen und würden der Wirtschaft ernsthaft schaden. Auch ein Auftrag, nur solche Inhalte zu senden, die für Privat-TV (wirtschaftlich) nicht attraktiv genug wären, ist aus Sicht der Werbebranche für den ORF keine gangbare Lösung. Diesem Wunsch von VÖZ-Präsident und Styria-Boss Horst Pirker wird hoffentlich eine Absage erteilt.
2) Massive Einschränkungen der Werbemöglichkeiten im ORF würden zudem - so fürchten viele Agenturen - zu einem Abwandern von Werbekreation aus Österreich führen, was wiederum - angesichts der Vernetzung der Branche - die Kreativwirtschaft insgesamt empfindlich treffen würde. Es würde schwer - so sagten mir viele - Topleute im Land zu halten.
3) Mein drittes Anliegen fand leider nicht Eingang in die Kurzfassung der Parlamentskorrespondenz - und das werte ich als Zeichen, dass es umso nötiger ist, immer wieder drauf zurück zu kommen: Ich appellierte an alle Parteien, sich doch - bitte, bitte - an den Medienstrukturen des 21. Jahrhunderts und den Nutzungsgewohnheiten zu orientieren, die sich in den letzten Jahren massiv geändert haben (und noch weiter ändern werden), wenn sie in einem neuen ORF-Gesetz öffentlich-rechtliches Fernsehen (eben nicht nur!) neu regeln. Es sei wichtig, den ORF als Quelle für Information zu begreifen, die ihren Weg zum Publikum über verschiedene Kanäle findet. Die crossmedialen Möglichkeiten dürfe man ihm (und der Werbung) nicht nehmen. Die Regelungen für einen fairen Wettbewerb mit den Privaten (mein diesbezügliches Bekenntnis wurde in der Kurzfassung leider auch gekürzt) seien so zu definieren, dass sie in diese neue Medienwelt passen.

Das Österreich freilich völlig anders tickt, wenn es um Medienpolitk geht, zeigt die heutige Aussendung des Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreters Wilfried Haslauer. Er wünscht sich, dass "Salzburgs Naturlandschaften rund um die Uhr in die Wohnzimmer der Welt geliefert werden" müssen und forderte heute daher: "Wetterpanorama muss gesetzlich gesichert werden".
Von Internet hat Herr Haslauer wahrscheinlich noch nichts gehört. Und eigentlich sollte man so eine Äußerung einfach ignorieren oder nur drüber lachen. Das Drama ist jedoch, dass sich dieser doch etwas schräge Ansatz nur hinsichtlich des konkret gewünschten Sendeinhaltes, nicht aber vom grundsätzlichen Zugang her, nur marginal von dem unterscheidet, was ich von mancher vermeintlich berufeneren Seite im Parlament zu hören bekam.

Mehr regionale Möglichkeiten hab auch ich mir für die österreichische Werbebranche gewünscht. Wenn ich aber lese, was da alles gefordert wird, werde ich doch skeptisch. In einem Land, in dem führende Politiker Schiliftkameras per Gesetz auf Sendung zwingen wollen, wäre es wahrscheinlich besser gewesen, eine verpflichtende Quote für EU-Information einzufordern.