Sonntag, Februar 01, 2009

Europa wählen

Michi Sburny, Geschäftsführerin der Grünen, fordert Johannes Voggenhuber und seine Unterstützer auf, das Ergebnis der Listenerstellung für die Wahlen zum Europaparlament zu respektieren. Ich selbst konnte mir in pareiinternen Diskussionen schon anhören, ich wäre (mit) schuld an der "Unruhe", weil ich öffentlich (und sei es auch nur in bescheidenem Rahmen) Kritik an der Entscheidung des EBV äußerte.
Nun, dann lege ich eben noch eines drauf.
Vorab, damit keine Mißverständnisse aufkommen: natürlich ist das Ergebnis zu respektieren, die Liste steht. Selbstverständlich war die Entscheidung - sowohl im Bundeskongress als auch im erweiterten Bundesvorstand - demokratisch. Trotzdem war sie nicht richtig. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Wer nun "Unruhe" diagnostiziert, muss sich schon auch bewußt sein, dass die von jenen zu verantworten ist, die die Entscheidung getroffen haben und nicht von deren KritikerInnen. Zumal es absehbar war, dass die Entscheidung, Voggenhuber nicht auf die Liste zu nehmen, heftige Kritik auslösen würde.
Letztlich hat der EBV auch der Spitzenkandidatin großen Schaden zugefügt. Statt Schwung aus internem Wettbewerb für einen erfolgreichen Wahlkampf zu nutzen, hat man sich entschieden einen unbequemen Mitbewerber auszuschalten. Ein Bärendienst für Ulrike Lunacek. Eine Spitzenkandidatin, der für den Wahlkampf der gesamte Parteiapparat und alles Wahlkampfbudget zur Verfügung steht, die aber trotzdem vor einem Vorzugsstimmenwahlkampf eines Einzelnen bewahrt werden muss, der diese Budgetmittel und diese organisatorische Unterstützung nicht hat, das bedeutet implizit auch: Man hat eine Person an die Spitze gewählt, der es an Überzeugungskraft fehlt.
Wenn man argumentiert, es gäbe keine Vertrauensbasis zu einem Politiker, der diese Partei mit gegründet hat, Jahrzehnte in exponierten Positionen für diese Partei gearbeitet hat und in all dieser Zeit vor allem eines NICHT geändert hat: seinen widerborstigen Charakter und seine Lust, auch die eigene Partei zu kritisieren, dann sagt man damit unwillkürlich auch sehr viel darüber, wie man sich selbst geändert hat. Nämlich hin zu einer geringeren Toleranzbereitschaft und zu einer engeren Definition dessen, was man bereit ist als "grün" zu akzeptieren. Nur: mit so einer Strategie spricht man naturgemäß auch weniger WählerInnen an.
Und wenn man glaubt, jetzt mit Appellen zur Einheit und "Schluss der Diskussion" darauf spekulieren zu können, dass "die Menschen draußen" diese Diskussion in zwei Wochen wieder vergessen haben werden, hat man nicht erkannt, dass dieser Konflikt nur ein Symptom für wesentlich tiefer gehende Probleme ist.
Günter Strobl spricht in seinem Blog zwei dieser Probleme an: Mangelnde Vernetzheit (ich würde sagen: Überbewertung der Innensicht und mangelnde Kommunikation mit Nicht-ParteifunktionärInnen) sowie Mängel im strategischen Denken. Dem würde ich noch eine dritte parteiintern vorherrschende Fehleinschätzung hinzufügen: die über die wahlentscheidende Wirkung von (grünen) Themen. Was offenbar nicht erkannt wurde und wird, ist dass Politik (auch) in sehr hohem Maße Emotion ist. Themen sind selbstverständlich wichtig und sie müssen authentisch vertreten werden. Keine Frage. Doch genauso wichtig wie grüne Positionen sind die Menschen, die Wählerinnen und Wähler. Sie ernst zu nehmen und nicht dies nicht nur durch mehr oder minder theoretische Positionen auszudrücken sondern auch durch offene Kommunikation, ist essenziell. Besonders im direkten Kontakt aber auch im Umgang untereinander auf der politischen Bühne. Im Konflikt rund um Johannes Voggenhuber hat alles mögliche eine Rolle gespielt und wurden viele Argumente ins Treffen geführt; alle jedoch abgeleitet aus der partei- und gremialinternen Gruppendynamik. Frage: was sollen sich unsere WählerInnen dabei denken? (Anm.: Auch inhaltliche Positionen spielten in Wahrheit keine Rolle, insofern ist meine Argumentation hier nicht ganz schlüssig bzw. der "Fall" Voggenhuber allein nicht ausreichend typisch.)
Wie soll es nun also weiter gehen?
Hinsichtlich seiner Wahlentscheidung sollte man sich nicht von den persönlichen Beziehungskisten anstecken lassen. Es geht um eine Wahl für das Europaparlament, nicht um eine Abrechnung oder Sympathiebekundung mit oder für einzelne grüne PolitikerInnen. Ulrike Lunacek und Eva Lichtenberger haben nun einige Monate Zeit, ihre Vorhaben und Positionen zu Europa klar zu machen. Aus Trotz seine Stimme zu verweigern oder einer anderen Partei zu geben, kann sich rächen wenn es dann - die Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament könnten knapp werden - darum geht, ob sich das EP für oder gegen Atomenergie ausspricht, positiv oder negativ zur Erweiterung stellt oder - das war ja Johannes Voggenhubers Hauptthema - die EU insgesamt demokratischer wird oder nicht. Lunacek und Lichtenberger müssen sich bemühen, die Wählerinnen Johannes Voggenhubers mit Herz und Hirn für sich einzunehmen und zu überzeugen. Um das Wahlergebnis von 2004 zu erreichen, werden sie viel Einsatz und Geschick brauchen.
Die Grüne Partei als Ganzes sollte aber nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern sich ernsthaft fragen, welche strukturellen und personellen Konzepte sie in der Zukunft noch erfolgreich machen können.

1 Kommentar:

  1. Anonym9:40 PM

    deinen ausführungen bestärken mich in meinem gefühl, dass sich das ganze schon sehr lange angebahnt hat. es hat sich jetzt zwar an der aktuellen causa voggenhuber entzündet, aber die probleme, die hier angesprochen werden, sind schon sehr lange zu spüren gewesen. es ist auch meine erfahrung, dass von vielen grünen der prozess "wir werden jetzt eine regierungsfähige partei" vitale grundsätze eben der grünbewegung vergessen hat lassen. was für viele aussenstehende oft nur den eindruck des chaos bewirkte, war oft auch der wichtige gärungsprozess einer diskussion, die eben NICHT von oben, von funktionärInnen und vorständInnen unterdrückt wird.

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