Dienstag, August 19, 2008

Irrwege

Es sei Ungerecht, beschwerte sich Wilhem Molterer gestern in Alpbach, dass 7,5% der Lohnsteuerpflichtigen 45% des Lohnsteueraufkommens bezahlen. Klingt auf den ersten Blick richtig, aber ist eine manipulative, isolierte Betrachtung eines einzelnen, beliebig(?) herausgepickten Faktums.
Das Wifo hat im vergangenen Herbst in einer Studie zur langfristigen Verteilung der Einkommenssteuer in Österreich klar festgestellt, dass das österreichische Abgabensystem nicht umverteilt. Für den Zeitraum 1995 bis 2005 stellt das Wifo fest: „In der unteren Hälfte der Einkommensverteilung sanken die Nettorealeinkommen drastisch. ... Nur die höchstbezahlten unselbständigen Beschäftigten konnten ihr Einkommen auch netto und real erhöhen.“ (Genaue Zahlen in der Studie, Download beim angegebenen Link.)
Dazu kommt, dass geringere Einkommen auch stärker von den Sozialversicherungsabgaben betroffen sind, die in Summe mehr ausmachen als die Lohnsteuer und auch bei den Verbrauchssteuern sind sie überproportional betroffen. So gibt das unterste Einkommensdrittel im Durchschnitt 18% seines Einkommens für die Mehrwertsteuer aus, das oberste nur 13%.

Insgesamt ist der Kurs, den die ÖVP in diesem Wahlkampf steuert, nur noch sehr schwer zu verstehen. Die radikal-ausländerfeindliche Politik, mit der sich Fekter und Missethon gerade positionieren, ist nicht nur menschlich und politisch jenseits, er schadet auch der Wirtschaft. Denn diese – gerade die international tätigen Unternehmen – hat längst eingesehen, dass Österreich ein Einwanderungsland ist, ja sein muss. Sie will ein fremdenfreundliches Klima im Land, nicht xenophobe Parolen. Mittlerweile hat sich ja beispielsweise bei gebildeten Menschen in aller Welt, die sehr wohl überlegen, wo sie ihre Karriere machen wollen, herumgesprochen, dass man in Österreich als Ausländer generell nicht gut angeschrieben ist. Andere Länder sind daher als Einwanderungsland wesentlich beliebter. Österreich fällt so in seiner Wettbewerbsfähigkeit zurück – zum Schaden auch der „echten“ ÖsterreicherInnen.

Wäre die ÖVP wirklich die staatstragende Partei, als die sie sich gerne präsentiert, müsste sie gerade bei diesen beiden Themen um einen vernünftigen Ausgleich werben. Mit dem derzeitigen Kurs aber verstärkt sie die Widersprüche und betreibt populistischen Wahlkampf auf Kosten des sozialen Friedens und – mit potentieller Langfristwirkung – der politischen Kultur im Land. Und das interessanter Weise mit Positionen, die sich gegen die Interessen der Mehrzahl ihrer eigenen WählerInnen richten.

1 Kommentar:

  1. Der Wettbewerb um die besten Köpfe wird bereits seit Jahren geführt und leider muss ich Dir Recht geben: Die ÖVP betreibt aktiv eine imageschädigende Kampagne für das Wissen in diesem Land. Nur ein weiterer Mosaikstein aus meiner Sicht für eine nach gestern gewandte Politik: Auch in der Bildungspolitik verhindert sie mit ihrer reinen Eliteideologie (wie z.B. gegen Gesamtschulkonzepte zu sein) seit Jahren einen Aufbau einer Wissensgesellschaft für das 21. Jahrhundert.
    Günter
    http://strobl.twoday.net

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